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Wider die Normalität?

Wenn man sich ein bisschen genauer umschaut, stellt man fest, dass sich die Ränder der SM-Szene deutlich verwaschener Darstellen als noch vor 5 oder gar 10 Jahren. Klar stellt sich zuallererst die Frage, was denn überhaupt die Szene ist.
In meinem Verständnis ist Szene das, was SM-Leute unterschiedlichster Vorlieben miteinander verbindet. Angefangen von einer Vorliebe für bestimmte Farben, bestimmte Materialien und Accessoires bis hin zum Bekenntnis zur Einvernehmlichkeit bei Sessions. Ob einer auf Fesseln oder Hauen, Klinik- oder Dominanz-Spiele steht, ist dabei für mich nur am Rande ausschlaggebend.
In den letzten Jahren - so scheint es mir - werden diese Unterschiede bei den speziellen Vorlieben zum Anlass genommen, sich von denen abzugrenzen, die diese nicht teilen.
Schon früher gab es die Leute, die sehr viel Wert darauf legen, nicht zur Szene zu gehören, keine Szenegänger zu sein. Da schwang dann etwas Abwertendes mit, so als gäbe es die echten Naturveranlagten und die, die sich nur in der Szene bewegen. Wobei es sich hier meiner Meinung nach um ein grundsätzliches Missverständnis handelt, denn in meiner Idee, gehören sowohl diejenigen, die schon immer so waren und so leben, als auch diejenigen, die SM im Laufe ihres Lebens entdecken oder nur in einer Lebensphase SM leben, zu meinem Begriff von Szene gehören.

In den letzten Jahren hat sich aber eine ganz andere Entwicklung ergeben, die sicherlich mit der leichten Verfügbarkeit von Infos zum SM-Praktiken und einer eher allgemeinen Laxheit in der Verurteilung so genannten perversen Verhaltens zu tun hat. Manch einer findet es völlig normal, sich beim Sex fesseln zu lassen oder seinem Partner ein bisschen Haue zu verabreichen, die Augenbinde bei erotischen Spielen ist ja quasi schon Standard. Und die meisten dieser Leute sehen das, was sie treiben, ganz sicher nicht als Sadomasochismus, sondern nur als etwas, was ihren alltäglichen Sex aufwertet und würzt.
Gleichzeitig suchen sie weiter nach Anregungen und die findet man unter anderem auf diversen SM-Portalen, wo sich dann fröhlich Leute tummeln, die ganz erschrocken auf Striemen und exotischere SM-Praktiken reagieren.

Nun kann man sich hinstellen und über die Verwässerung der Szene lamentieren und den Rückzug aus eben diesen Angeboten anstreben. Man kann sich hinstellen und das berühmte "Wir und Ihr"-Spiel spielen, wobei das "Wir" immer die Besseren sind.
Das wird dann von manchem gerne abgestritten, genauso wie der Begriff Stino (als Abkürzung für "Stinknormale" - also Normale, die irgendwie in ihrer Normalität in Abgrenzung zu den ach so tollen SM-Leuten anrüchig riechen) nie wertend gemeint ist.

Aber wenn man ein Interesse an einer Weiterentwicklung der Szene als Menschen, die einen gemeinsamen Nenner durch ihre Sexualität haben, dann ist die obige Entwicklung eher eine Herausforderung an den SM-er und ein Anreiz zu einer größeren Öffnung nach außen.
Auch wenn sich jemand eben nicht als Sadomasochist versteht, wenn er seine Liebste mit dem Gürtel oder der Reitpeitsche schlägt, so sollten ihm doch die Ressourcen offen stehen, die erklären, wie das Hauen wirklich befriedigend sein kann und welche Risiken möglich sind.

Das gilt natürlich auch für all die anderen Praktiken, die in der erotischen Kultur des Normalen angekommen sind.
Gleichzeitig heißt es aber auch, dass wir es uns nicht gefallen lassen sollten, wenn eben diese Leute meinen, Praktiken verurteilen zu müssen, die über ihren erotischen Horizont hinausgehen.

Und das ist dann wieder ein Punkt, wo es gut ist, wenn wir klarer haben, was uns denn so heiß daran macht, wenn wir unsere Liebste bis aufs Blut quälen und was es für uns bedeutet, wenn wir uns so intensiv quälen lassen.

Matthias

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