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Produkt-Details zu: Die Zwerge von Arnheim - Frost 4Der vierte Band der Frost-Krimireihe: Die Spur eines Hamburger Serienmörders führt den sadomasochistischen Ex-Bullen in ein Kastell nach Arnheim, wo Madame Merle und ihre Liebesdienerinnen den Gästen jeden noch so ausgefallenen Wunsch erfüllen...
Autor/Interpret: Gregor Sakow
Hardcover, 300 S., 2005
Leseprobe:
Der Rote Salon: Aus zwei Kristallüstern fiel gedämpftes Licht. An den Wänden Gobelins mit Jagdmotiven. Zwei Glasvitrinen flankierten eine mit Blattgold überzogene Flügeltür. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein Kachelofen; daneben eine weitere Tür. Eine Sitzgruppe aus barocken Möbeln. Ein zweisitziges Sofa, ein Tisch und drei Sessel. Schwere, dunkle Teppiche mit großen Rosen in Weiß und Apricot. Auf dem runden, dreifüßigen Tisch stand eine Karaffe, mit Rotwein gefüllt, und zwei Gläser. Ergänzt um einen Aschenbecher aus Achat.
Auf dem Sofa wartete eine Frau in Schwarz. Die Ärmel des locker sitzenden Oberteils waren weit geschnitten, der Rock reichte bis zu den Waden. Um den Hals trug sie eine breite, goldene Kette. Die Hände waren schmucklos, die Fingernägel mit farblosem Lack verschönt. Mit der rechten Hand hielt sie einen Zigarillo, die linke ruhte auf ihrem Schoß. Als an die Tür neben dem Kachelofen geklopft wurde, rief sie: »Ja!«
Eine junge, blonde Frau in einem pflaumenblauen Kostüm trat ein. »Der Konsul, Madame.«
Mit einer dezenten Handbewegung winkte sie den Konsul in den Roten Salon. Dann zog sie sich zurück und schloß die Tür.
Der Konsul, ein gut genährter Endfünfziger, durchschritt den Raum. Er trug einen creme- farbenen Anzug, dazu ein rosa Hemd und eine veilchenblaue Krawatte. Sein weißes Haar war frisch gewellt, und auf seinen Hängebacken kräuselten sich ebenfalls weiße, breite Koteletten, die bis zum Unterkiefer reichten.
Der Konsul war wie immer, wenn er den Roten Salon betreten durfte, bester Laune. Hätte er in seiner linken Hand nicht einen hellgrauen, großen Briefumschlag gehalten, sondern einen bunten Luftballon, wäre er auf jedem Kinderfest als Conférencier willkommen gewesen.
»Madame Merle, welch eine Freude, Sie wiedersehen zu können.« Er verbeugte sich tief vor der auf dem Sofa Sitzenden, ergriff die ihm angebotene Hand und begrüßte Madame Merle mit einem galanten Handkuß.
Die Freude sei auch ganz auf ihrer Seite, entgegnete Madame Merle. Sie deutete auf die Sessel – er möge bitte Platz nehmen, zuvor aber etwas Wein einschenken. Madame Merles Deutsch war fehlerlos und frei von jedem Akzent.
Der Konsul legte den Briefumschlag auf das glänzende Eichenholz des Tisches, schlüpfte für einen Moment in die Rolle eines devoten Mundschenks und füllte, was ihm sichtlich Freude bereitete, die Gläser zur Hälfte. Dann plumpste er in den Sessel.
Beide griffen zu den Gläsern und tranken auf das Wohl des jeweils anderen.
»Wie war die Fahrt, mein lieber Freund?« Madame Merle zog an ihrem Zigarillo, blies den Rauch zur Seite und klopfte die Asche in die Achatschale.
»Bestens, die Autobahn war fast leer. Ich hatte freie Fahrt und kaum Verkehr.« Der Konsul strahlte wie ein Honigkuchenpferd ob des gelungenen Reimes. »Aber Letzteres wird sich ja bald ändern.« Er lachte, hielt es für ein gelungenes Bonmot.
»Gewiß, werter Konsul.« Madame Merle lächelte diskret.
»Allerdings war es nicht einfach, am zweiten Advent der Familie zu entkommen. Meine Tochter war mit den Kindern zu Besuch, und die beiden kleinen Racker lieben ihren Großvater nun mal über alles. Da mußte Grandpa schon einiges erfinden, um entschwinden zu können.«
»Was ihm ja offensichtlich gelungen ist.«
»Nicht nur das, meine Teure, ist mir gelungen. Nicht nur das.« Der Konsul deutete auf den hellgrauen Umschlag. »Statt der üblichen Spende für Ihr Haus kann ich Ihnen endlich das überreichen, was Sie schon lange begehren.«
»Ich wußte, daß Sie es schaffen.«
»Es war weiß Gott nicht einfach.« Der Konsul spielte mit seinem Siegelring.
»Ich bin mir sicher, daß die nächsten Stunden Sie für alle Mühen vorzüglich entschädigen werden.«
»Sie haben wieder alle vier ..?« Des Konsuls Zunge strich über seine Lippen.
»Mein Lieber, lassen Sie sich überraschen. Wir werden ja morgen beim Frühstück noch die Gelegenheit haben, ein wenig über alles zu plaudern. Sie bleiben doch so lange?«
»Mit dem größten Vergnügen.«
Madame Merle legte den Zigarillo in den Aschenbecher. Dann glitt ihre Hand in die Tasche ihres Rocks und holte ein rundes, silbernes Döschen hervor. Sie klappte den Deckel hoch, tippte mit dem Finger auf die untere Hälfte. Es piepte kurz. Madame Merle schloß den Deckel und steckte das Döschen zurück in die Rocktasche.
»Carla wird Sie gleich abholen.« Sie erhob ihr Glas. »Ich wünsche Ihnen eine wunderbare Nacht.«
Auch der Konsul griff zum Glas, bedankte sich artig und leerte seine Glas.
Kaum daß beide Gläser wieder auf dem Tisch standen, betrat Carla den Roten Salon.
Mit Elan verließ der Konsul den barocken Sessel, verbeugte sich galant. »Madame Merle, ich wünsche auch Ihnen eine wunderbare Nacht.« Dann folgte er der Blonden im pflaumenblauen Kostüm. Sie ließ ihm an der Tür den Vortritt.
Madame Merle nahm noch einen Zug, bevor sie den Zigarillo in der Achatschale ausdrückte.
Sie griff nach dem Umschlag. Auf der Vorderseite befand sich in der linken oberen Ecke in Reliefdruck das Wappen des Konsuls. Auf der Rückseite war der Umschlag mit rotem Lack versiegelt. Vorsichtig löste Merle das Siegel, zog den Inhalt heraus. Es waren Kopien von etwa dreißig Seiten der Stasi-Akte eines hochrangigen deutschen Politikers. Zusammengehalten durch einen Heftstreifen.
Als Merle alles gelesen hatte, mußte sie schmunzeln, denn wieder einmal war die Wahrheit weitaus verkommener als das, was man versuchte, den Menschen weiszumachen.
Merle steckte die Unterlagen zurück in das große, gefütterte Kuvert. Sie stand auf, füllte ihr Glas mit Wein und ging, das Glas in der einen, die Wahrheit in der anderen Hand, auf die goldene Flügeltür zu.
Ein im Stuck verborgener Sensor erfaßte ihren Körper. Zwei Motoren öffneten nahezu geräuschlos die Tür.
Hinter der Flügeltür lag ein Raum, nur wenig kleiner als der Rote Salon, ausgelegt mit kobaltblauem Teppichboden. Wände und Decke waren lediglich weiß gestrichen. Vier Deckenfluter spendeten angenehmes Licht. In der hinteren Hälfte, diagonal ausgerichtet, ein riesiger Schreibtisch – daumendickes, graublaues Rauchglas auf vier schlanken Edelstahlsäulen. Dahinter ein Ledersessel, von dem aus man sowohl die goldene Tür sehen konnte als auch den fast wandfüllenden Stich einer alten Weltkarte, in die an einigen Stellen blauleuchtende Dioden eingelassen waren. Hinter dem Schreibtisch, der Flügeltür gegenüber, ein vorhangloses Fenster. An der Wand links neben dem Fenster hing an einer goldenen Stange ein violetter Wandteppich, der bis auf den Fußboden reichte. In diesen Teppich war die Abbildung eines silbernen, zu einer Acht geschlungenen, Endlosbandes gewebt.
Merle stellte das Weinglas auf die Rauchglasplatte und zog den Wandteppich halb zur Seite, gab so den Blick frei auf eine mannshohe Stahltüre, die ein Pentagramm schmückte. Jede der fünf Spitzen zeigte auf ein rundes Zahlenschloß. Im Zentrum des Pentagramms leuchtete ein walnußgroßer Rubin.
Madame Merle drehte die Schlösser auf ihre Zahlenkombination und berührte mit dem Daumen den Rubin. Unter leisem Surren öffnete sich die Tür, offenbarte einen begehbaren Tresor.
Merle betrat ihr Allerheiligstes. Der Tresorraum maß etwa drei mal drei Meter. An den Wänden Regalreihen bis zur Decke. Darauf akkurat ausgerichtet Akten, Briefumschläge, Tonbänder, Filmrollen, Videobänder, Disketten, CDs und ein kleiner Koffer aus hellbraunem Leder. Merle legte das Kuvert neben ein Ringbuch für Mikrofilme. Dann strich sie wie immer, bevor sie den Tresor verließ, mit ihren Fingern über den Deckel des Lederkoffers.
Im Feuerschein der Fackeln drängen die Männer zu Dutzenden in die Scheune. Sie haben ihr die Kleider vom Leib gerissen, haben ihren Körper auf das Rad eines Heuwagens gebunden. Zwei scheren sie. Erst den Kopf, danach den Schoß. Sie drehen das Rad. Verteilen Brennesseln und Lederriemen. Spucken sie an. Schlagen zu.
Merle verschloß den Tresor, sperrte die Vergangenheit ein und zog den Wandteppich zurück an seinen Platz.
Sie öffnete für einen Moment das Fenster und blickte auf den zugefrorenen See. Merle atmete die klare Winterluft und massierte mit den Fingerspitzen ihre Schläfen. Ein paar Schneeflocken irrten durch die Nacht.
Nachdem Merle das Fenster verriegelt hatte, setzte sie sich an ihren Schreibtisch. Auf den drei großen Flachbildschirmen, die ähnlich einem geöffneten Triptychon auf der Rauchglasplatte standen, zerplatzten bunte Blasen.
Merle nahm einen Schluck Rotwein und drückte mehrere Tasten einer kabellosen Tastatur.
Die Blasen verschwanden. Dafür erschienen auf dem rechten Bildschirm die aktuellen Aktiennotierungen und Indexstände der Tokioter Börse. Auf dem linken begleitete Carla einen Gast zu seinem Rolls-Royce und verabschiedete ihn mit einem Kuß.
Allein Merles Aufmerksamkeit galt dem mittleren Bildschirm. Dort lag, festgeschnallt an Armen und Beinen, der Konsul bäuchlings und nackt auf einer Holzbank, die zwei Aussparungen hatte. Eine für den Kopf, die andere für das Geschlecht. Unter der Bank lagen zwei weiße, junge Frauen. Die eine saugte an des Konsuls Glied. Die andere, ihre Beine weit gespreizt und das Becken hochgebogen, ließ sich die Möse lecken. Neben der Bank standen zwei dunkelhäutige Frauen. Schlank und hochgewachsen. Sie trugen nur weiße Lederstiefel und peitschten mit neunschwänzigen Katzen den Konsul. Über die im Bildschirm integrierten Lautsprecher hörte Merle den Konsul grunzen und stöhnen, während die Schwarzen ihn beschimpften: »Verkommene, weiße Kapitalistensau!«
Merle wußte den Konsul in guten Händen. Ihre Mädchen würden ihm jeden noch so ausgefallenen Wunsch erfüllen, und er würde dafür weitere Raritäten liefern.
Sie stellte den Ton etwas leiser, öffnete die obere Schublade eines schwarzen Unterschrankes und entnahm einem Kistchen Davidoff Long Panatellas einen neuen Zigarillo. Sie pellte ihn aus dem Zellophan, entzündete ein Streichholz und steckte den Zigarillo an.
Merle ließ sich in ihrem ledernen Sessel etwas nach hinten kippen und betrachtete, was unten in einem der Kellerräume weiter geschah. Eine der Dunkelhäutigen hatte sich breitbeinig auf die Bank gestellt und begann, den gestriemten Rücken des Konsuls zu bepinkeln, während die andere ihm mit einer Gerte auf die Fußsohlen schlug.
Merle formte aus dem Rauch des Zigarillos kleine Ringe und ließ sie über den Schreibtisch schweben. Einige endeten schon an den Bildschirmen, ein paar lebten etwas länger, bevor sie sich in der Luft auflösten.
Einen besonders gelungenen schickte Merle auf die Reise zum rechten Rand des Schreibtisches. Dort stand ein kleiner Käfig aus Elfenbeinstäben, der drei faustgroße, goldene Zwerge gefangenhielt.
Und im Keller spritzte der Konsul in die Nasenlöcher der unter ihm Liegenden.
Rezension von Irena Böttcher (ehemals Circle.de jetzt Spiegelwelten)
Wer kennt ihn nicht – Robert Frost, den "Scheiß Bullen" mit sadomasochistischen Neigungen, die sich in irgendeiner Form oft mit seiner Arbeit vermischen. Oder vielmehr den Ex-Bullen; denn Frost hatte, wir erinnern uns, den Dienst bei der Kripo Hamburg quittiert. Ja, er hat sogar, erschüttert von all dem, was er durchlebte, Deutschland enttäuscht den Rücken gekehrt und wollte in Irland ein neues Leben beginnen.
Aus dem ihn in diesem neuesten Band des Frost-Zyklus, "Die Zwerge von Arnheim", ein Auftrag herausreißt und nach Deutschland zurückholt, nach Hamburg.
Dort schlägt nämlich ein Serienmörder zu. Oder vielmehr, er zieht zu – eine Drahtschlinge, mit deren Hilfe er seine Opfer erwürgt. Zwei von ihnen kannte Frost sehr gut – Lady Blanche und Nina Kroner. Das veranlasst seinen ehemaligen Chef, Frost in die Ermittlungen einzuschalten. Für die Kommissarin Sandra Weitner, eine faszinierende Leder-Lady, ist seine Hilfe äußerst wertvoll.
Auf eigene Faust spürt Frost aber dann dem wahren Tatmotiv nach, und zwar in einem Kastell in Arnheim, einem Ort, an dem – unter der Leitung der geheimnisvollen Madame Merle, Merle Vermeeren -, Liebesdienerinnen den Gästen jeden Wunsch erfüllen.
Es fällt Madame Merle nicht schwer, Frost mit Hilfe seiner ja schon immer sehr mächtigen und kaum zu bändigenden Lüste an sich zu binden.
Sie erzählt ihm das Märchen mit den Zwergen. Auf ihrem Schreibtisch steht nämlich ein kleiner Käfig aus Elfenbeinstäben mit drei faustgroßen, goldenen Zwergen ... Während in ihrem Tresor Geheimnisse lagern, die ganze Nationen bis in die Grundfesten erschüttern könnten; Staatsgeheimnisse, private Geheimnisse hochgestellter Personen und mehr.
Dann erteilt Madame Merle Frost einen Auftrag, der sein gesamtes Leben verändern wird. Er soll ihren zweiten Sohn sicher zu ihr zurückbringen. Dieser Auftrag bringt ihn – nein, also das Ende dieses Romans wollen wir ja nun nicht verraten.
In gewohnt frischer und spannender Manier vermischt Gregor Sakow Krimielemente mit erotischen Beschreibungen ganz besonderer Qualität. Die Geschichte wirkt so echt, man könnte glauben, sie ist tatsächlich passiert. Liebevoll werden die Details der faszinierenden Schauplätze ebenso geschildert wie die manchmal recht komplizierten Geflechte persönlicher Beziehungen, die die handelnden Personen miteinander verbinden.
Böse und Gut vermischen sich miteinander, wie im Leben, so dass der Leser einfach nur gefangen ist und atemlos dem Verlauf der Geschehnisse folgt. Jegliche Überlegungen moralischer oder anderer Natur müssen dem Augenblick vorbehalten bleiben, wenn man das Buch weglegt – und weder Frost, noch die Geschichte aus dem Kopf bekommt.
Eines steht jedenfalls fest – wenn man diese Geschichte verschlungen hat, wartet man absolut ungeduldig auf die Fortsetzung des Frost-Zyklus, die mit "Götzendämmerung" bereits angekündigt ist. Ich bin sicher nicht die einzige, die sich wünscht, sie sehr bald in die Finger zu bekommen.
Der Rote Salon: Aus zwei Kristallüstern fiel gedämpftes Licht. An den Wänden Gobelins mit Jagdmotiven. Zwei Glasvitrinen flankierten eine mit Blattgold überzogene Flügeltür. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein Kachelofen; daneben eine weitere Tür. Eine Sitzgruppe aus barocken Möbeln. Ein zweisitziges Sofa, ein Tisch und drei Sessel. Schwere, dunkle Teppiche mit großen Rosen in Weiß und Apricot. Auf dem runden, dreifüßigen Tisch stand eine Karaffe, mit Rotwein gefüllt, und zwei Gläser. Ergänzt um einen Aschenbecher aus Achat.
Auf dem Sofa wartete eine Frau in Schwarz. Die Ärmel des locker sitzenden Oberteils waren weit geschnitten, der Rock reichte bis zu den Waden. Um den Hals trug sie eine breite, goldene Kette. Die Hände waren schmucklos, die Fingernägel mit farblosem Lack verschönt. Mit der rechten Hand hielt sie einen Zigarillo, die linke ruhte auf ihrem Schoß. Als an die Tür neben dem Kachelofen geklopft wurde, rief sie: »Ja!«
Eine junge, blonde Frau in einem pflaumenblauen Kostüm trat ein. »Der Konsul, Madame.«
Mit einer dezenten Handbewegung winkte sie den Konsul in den Roten Salon. Dann zog sie sich zurück und schloß die Tür.
Der Konsul, ein gut genährter Endfünfziger, durchschritt den Raum. Er trug einen creme- farbenen Anzug, dazu ein rosa Hemd und eine veilchenblaue Krawatte. Sein weißes Haar war frisch gewellt, und auf seinen Hängebacken kräuselten sich ebenfalls weiße, breite Koteletten, die bis zum Unterkiefer reichten.
Der Konsul war wie immer, wenn er den Roten Salon betreten durfte, bester Laune. Hätte er in seiner linken Hand nicht einen hellgrauen, großen Briefumschlag gehalten, sondern einen bunten Luftballon, wäre er auf jedem Kinderfest als Conférencier willkommen gewesen.
»Madame Merle, welch eine Freude, Sie wiedersehen zu können.« Er verbeugte sich tief vor der auf dem Sofa Sitzenden, ergriff die ihm angebotene Hand und begrüßte Madame Merle mit einem galanten Handkuß.
Die Freude sei auch ganz auf ihrer Seite, entgegnete Madame Merle. Sie deutete auf die Sessel – er möge bitte Platz nehmen, zuvor aber etwas Wein einschenken. Madame Merles Deutsch war fehlerlos und frei von jedem Akzent.
Der Konsul legte den Briefumschlag auf das glänzende Eichenholz des Tisches, schlüpfte für einen Moment in die Rolle eines devoten Mundschenks und füllte, was ihm sichtlich Freude bereitete, die Gläser zur Hälfte. Dann plumpste er in den Sessel.
Beide griffen zu den Gläsern und tranken auf das Wohl des jeweils anderen.
»Wie war die Fahrt, mein lieber Freund?« Madame Merle zog an ihrem Zigarillo, blies den Rauch zur Seite und klopfte die Asche in die Achatschale.
»Bestens, die Autobahn war fast leer. Ich hatte freie Fahrt und kaum Verkehr.« Der Konsul strahlte wie ein Honigkuchenpferd ob des gelungenen Reimes. »Aber Letzteres wird sich ja bald ändern.« Er lachte, hielt es für ein gelungenes Bonmot.
»Gewiß, werter Konsul.« Madame Merle lächelte diskret.
»Allerdings war es nicht einfach, am zweiten Advent der Familie zu entkommen. Meine Tochter war mit den Kindern zu Besuch, und die beiden kleinen Racker lieben ihren Großvater nun mal über alles. Da mußte Grandpa schon einiges erfinden, um entschwinden zu können.«
»Was ihm ja offensichtlich gelungen ist.«
»Nicht nur das, meine Teure, ist mir gelungen. Nicht nur das.« Der Konsul deutete auf den hellgrauen Umschlag. »Statt der üblichen Spende für Ihr Haus kann ich Ihnen endlich das überreichen, was Sie schon lange begehren.«
»Ich wußte, daß Sie es schaffen.«
»Es war weiß Gott nicht einfach.« Der Konsul spielte mit seinem Siegelring.
»Ich bin mir sicher, daß die nächsten Stunden Sie für alle Mühen vorzüglich entschädigen werden.«
»Sie haben wieder alle vier ..?« Des Konsuls Zunge strich über seine Lippen.
»Mein Lieber, lassen Sie sich überraschen. Wir werden ja morgen beim Frühstück noch die Gelegenheit haben, ein wenig über alles zu plaudern. Sie bleiben doch so lange?«
»Mit dem größten Vergnügen.«
Madame Merle legte den Zigarillo in den Aschenbecher. Dann glitt ihre Hand in die Tasche ihres Rocks und holte ein rundes, silbernes Döschen hervor. Sie klappte den Deckel hoch, tippte mit dem Finger auf die untere Hälfte. Es piepte kurz. Madame Merle schloß den Deckel und steckte das Döschen zurück in die Rocktasche.
»Carla wird Sie gleich abholen.« Sie erhob ihr Glas. »Ich wünsche Ihnen eine wunderbare Nacht.«
Auch der Konsul griff zum Glas, bedankte sich artig und leerte seine Glas.
Kaum daß beide Gläser wieder auf dem Tisch standen, betrat Carla den Roten Salon.
Mit Elan verließ der Konsul den barocken Sessel, verbeugte sich galant. »Madame Merle, ich wünsche auch Ihnen eine wunderbare Nacht.« Dann folgte er der Blonden im pflaumenblauen Kostüm. Sie ließ ihm an der Tür den Vortritt.
Madame Merle nahm noch einen Zug, bevor sie den Zigarillo in der Achatschale ausdrückte.
Sie griff nach dem Umschlag. Auf der Vorderseite befand sich in der linken oberen Ecke in Reliefdruck das Wappen des Konsuls. Auf der Rückseite war der Umschlag mit rotem Lack versiegelt. Vorsichtig löste Merle das Siegel, zog den Inhalt heraus. Es waren Kopien von etwa dreißig Seiten der Stasi-Akte eines hochrangigen deutschen Politikers. Zusammengehalten durch einen Heftstreifen.
Als Merle alles gelesen hatte, mußte sie schmunzeln, denn wieder einmal war die Wahrheit weitaus verkommener als das, was man versuchte, den Menschen weiszumachen.
Merle steckte die Unterlagen zurück in das große, gefütterte Kuvert. Sie stand auf, füllte ihr Glas mit Wein und ging, das Glas in der einen, die Wahrheit in der anderen Hand, auf die goldene Flügeltür zu.
Ein im Stuck verborgener Sensor erfaßte ihren Körper. Zwei Motoren öffneten nahezu geräuschlos die Tür.
Hinter der Flügeltür lag ein Raum, nur wenig kleiner als der Rote Salon, ausgelegt mit kobaltblauem Teppichboden. Wände und Decke waren lediglich weiß gestrichen. Vier Deckenfluter spendeten angenehmes Licht. In der hinteren Hälfte, diagonal ausgerichtet, ein riesiger Schreibtisch – daumendickes, graublaues Rauchglas auf vier schlanken Edelstahlsäulen. Dahinter ein Ledersessel, von dem aus man sowohl die goldene Tür sehen konnte als auch den fast wandfüllenden Stich einer alten Weltkarte, in die an einigen Stellen blauleuchtende Dioden eingelassen waren. Hinter dem Schreibtisch, der Flügeltür gegenüber, ein vorhangloses Fenster. An der Wand links neben dem Fenster hing an einer goldenen Stange ein violetter Wandteppich, der bis auf den Fußboden reichte. In diesen Teppich war die Abbildung eines silbernen, zu einer Acht geschlungenen, Endlosbandes gewebt.
Merle stellte das Weinglas auf die Rauchglasplatte und zog den Wandteppich halb zur Seite, gab so den Blick frei auf eine mannshohe Stahltüre, die ein Pentagramm schmückte. Jede der fünf Spitzen zeigte auf ein rundes Zahlenschloß. Im Zentrum des Pentagramms leuchtete ein walnußgroßer Rubin.
Madame Merle drehte die Schlösser auf ihre Zahlenkombination und berührte mit dem Daumen den Rubin. Unter leisem Surren öffnete sich die Tür, offenbarte einen begehbaren Tresor.
Merle betrat ihr Allerheiligstes. Der Tresorraum maß etwa drei mal drei Meter. An den Wänden Regalreihen bis zur Decke. Darauf akkurat ausgerichtet Akten, Briefumschläge, Tonbänder, Filmrollen, Videobänder, Disketten, CDs und ein kleiner Koffer aus hellbraunem Leder. Merle legte das Kuvert neben ein Ringbuch für Mikrofilme. Dann strich sie wie immer, bevor sie den Tresor verließ, mit ihren Fingern über den Deckel des Lederkoffers.
Im Feuerschein der Fackeln drängen die Männer zu Dutzenden in die Scheune. Sie haben ihr die Kleider vom Leib gerissen, haben ihren Körper auf das Rad eines Heuwagens gebunden. Zwei scheren sie. Erst den Kopf, danach den Schoß. Sie drehen das Rad. Verteilen Brennesseln und Lederriemen. Spucken sie an. Schlagen zu.
Merle verschloß den Tresor, sperrte die Vergangenheit ein und zog den Wandteppich zurück an seinen Platz.
Sie öffnete für einen Moment das Fenster und blickte auf den zugefrorenen See. Merle atmete die klare Winterluft und massierte mit den Fingerspitzen ihre Schläfen. Ein paar Schneeflocken irrten durch die Nacht.
Nachdem Merle das Fenster verriegelt hatte, setzte sie sich an ihren Schreibtisch. Auf den drei großen Flachbildschirmen, die ähnlich einem geöffneten Triptychon auf der Rauchglasplatte standen, zerplatzten bunte Blasen.
Merle nahm einen Schluck Rotwein und drückte mehrere Tasten einer kabellosen Tastatur.
Die Blasen verschwanden. Dafür erschienen auf dem rechten Bildschirm die aktuellen Aktiennotierungen und Indexstände der Tokioter Börse. Auf dem linken begleitete Carla einen Gast zu seinem Rolls-Royce und verabschiedete ihn mit einem Kuß.
Allein Merles Aufmerksamkeit galt dem mittleren Bildschirm. Dort lag, festgeschnallt an Armen und Beinen, der Konsul bäuchlings und nackt auf einer Holzbank, die zwei Aussparungen hatte. Eine für den Kopf, die andere für das Geschlecht. Unter der Bank lagen zwei weiße, junge Frauen. Die eine saugte an des Konsuls Glied. Die andere, ihre Beine weit gespreizt und das Becken hochgebogen, ließ sich die Möse lecken. Neben der Bank standen zwei dunkelhäutige Frauen. Schlank und hochgewachsen. Sie trugen nur weiße Lederstiefel und peitschten mit neunschwänzigen Katzen den Konsul. Über die im Bildschirm integrierten Lautsprecher hörte Merle den Konsul grunzen und stöhnen, während die Schwarzen ihn beschimpften: »Verkommene, weiße Kapitalistensau!«
Merle wußte den Konsul in guten Händen. Ihre Mädchen würden ihm jeden noch so ausgefallenen Wunsch erfüllen, und er würde dafür weitere Raritäten liefern.
Sie stellte den Ton etwas leiser, öffnete die obere Schublade eines schwarzen Unterschrankes und entnahm einem Kistchen Davidoff Long Panatellas einen neuen Zigarillo. Sie pellte ihn aus dem Zellophan, entzündete ein Streichholz und steckte den Zigarillo an.
Merle ließ sich in ihrem ledernen Sessel etwas nach hinten kippen und betrachtete, was unten in einem der Kellerräume weiter geschah. Eine der Dunkelhäutigen hatte sich breitbeinig auf die Bank gestellt und begann, den gestriemten Rücken des Konsuls zu bepinkeln, während die andere ihm mit einer Gerte auf die Fußsohlen schlug.
Merle formte aus dem Rauch des Zigarillos kleine Ringe und ließ sie über den Schreibtisch schweben. Einige endeten schon an den Bildschirmen, ein paar lebten etwas länger, bevor sie sich in der Luft auflösten.
Einen besonders gelungenen schickte Merle auf die Reise zum rechten Rand des Schreibtisches. Dort stand ein kleiner Käfig aus Elfenbeinstäben, der drei faustgroße, goldene Zwerge gefangenhielt.
Und im Keller spritzte der Konsul in die Nasenlöcher der unter ihm Liegenden.
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Rezension von Irena Böttcher (ehemals Circle.de jetzt Spiegelwelten)
Wer kennt ihn nicht – Robert Frost, den "Scheiß Bullen" mit sadomasochistischen Neigungen, die sich in irgendeiner Form oft mit seiner Arbeit vermischen. Oder vielmehr den Ex-Bullen; denn Frost hatte, wir erinnern uns, den Dienst bei der Kripo Hamburg quittiert. Ja, er hat sogar, erschüttert von all dem, was er durchlebte, Deutschland enttäuscht den Rücken gekehrt und wollte in Irland ein neues Leben beginnen.
Aus dem ihn in diesem neuesten Band des Frost-Zyklus, "Die Zwerge von Arnheim", ein Auftrag herausreißt und nach Deutschland zurückholt, nach Hamburg.
Dort schlägt nämlich ein Serienmörder zu. Oder vielmehr, er zieht zu – eine Drahtschlinge, mit deren Hilfe er seine Opfer erwürgt. Zwei von ihnen kannte Frost sehr gut – Lady Blanche und Nina Kroner. Das veranlasst seinen ehemaligen Chef, Frost in die Ermittlungen einzuschalten. Für die Kommissarin Sandra Weitner, eine faszinierende Leder-Lady, ist seine Hilfe äußerst wertvoll.
Auf eigene Faust spürt Frost aber dann dem wahren Tatmotiv nach, und zwar in einem Kastell in Arnheim, einem Ort, an dem – unter der Leitung der geheimnisvollen Madame Merle, Merle Vermeeren -, Liebesdienerinnen den Gästen jeden Wunsch erfüllen.
Es fällt Madame Merle nicht schwer, Frost mit Hilfe seiner ja schon immer sehr mächtigen und kaum zu bändigenden Lüste an sich zu binden.
Sie erzählt ihm das Märchen mit den Zwergen. Auf ihrem Schreibtisch steht nämlich ein kleiner Käfig aus Elfenbeinstäben mit drei faustgroßen, goldenen Zwergen ... Während in ihrem Tresor Geheimnisse lagern, die ganze Nationen bis in die Grundfesten erschüttern könnten; Staatsgeheimnisse, private Geheimnisse hochgestellter Personen und mehr.
Dann erteilt Madame Merle Frost einen Auftrag, der sein gesamtes Leben verändern wird. Er soll ihren zweiten Sohn sicher zu ihr zurückbringen. Dieser Auftrag bringt ihn – nein, also das Ende dieses Romans wollen wir ja nun nicht verraten.
In gewohnt frischer und spannender Manier vermischt Gregor Sakow Krimielemente mit erotischen Beschreibungen ganz besonderer Qualität. Die Geschichte wirkt so echt, man könnte glauben, sie ist tatsächlich passiert. Liebevoll werden die Details der faszinierenden Schauplätze ebenso geschildert wie die manchmal recht komplizierten Geflechte persönlicher Beziehungen, die die handelnden Personen miteinander verbinden.
Böse und Gut vermischen sich miteinander, wie im Leben, so dass der Leser einfach nur gefangen ist und atemlos dem Verlauf der Geschehnisse folgt. Jegliche Überlegungen moralischer oder anderer Natur müssen dem Augenblick vorbehalten bleiben, wenn man das Buch weglegt – und weder Frost, noch die Geschichte aus dem Kopf bekommt.
Eines steht jedenfalls fest – wenn man diese Geschichte verschlungen hat, wartet man absolut ungeduldig auf die Fortsetzung des Frost-Zyklus, die mit "Götzendämmerung" bereits angekündigt ist. Ich bin sicher nicht die einzige, die sich wünscht, sie sehr bald in die Finger zu bekommen.