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Produkt-Details zu: ... Venus im Pelz - PolanskiEndlich lieferbar - der Spitzenfilm zum Thema!
Autor/Interpret: Roman Polanski
DVD, 92 Minuten, 2013, Frankreich, Sprache: Deutsch, Französisch, Untertitel Deutsch (ausblendbar)
statt 16,99 nur 5,00 €
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In den SZ 134 hat Lydia Benecke in der Psychokiste eine längere Analyse des neuen Films von Polanski geschrieben. Und nachdem wir schon kurz vorher eine ausführliche Rezension eines Lesers erhalten hatten (veröffentlicht online unter www.schlagzeilen.com/de/filmrezensionen/) konnten wir einfach nicht umhin, diese Version der „Venus im Pelz“ in unser Programm aufzunehmen.
Nach einem langen Tag voller enttäuschender Castings ist der Pariser Theaterregisseur Thomas (Mathieu Amalric) kurz davor, alles hinzuwerfen. Keine der Schauspielerinnen, die sich bei ihm vorstellen, entspricht seinen Erwartungen.
Dann taucht Vanda (Emmanuelle Seigner) auf. Vanda scheint all das zu verkörpern, was Thomas zutiefst verabscheut: Sie ist grob, naiv, einfältig und würde vor nichts zurückschrecken, um die Rolle zu bekommen. Doch während des Vorsprechens entwickelt sich zwischen den Beiden ein Spiel, das Vanda von einer ganz anderen Seite zeigt.
Kino der Spitzenklasse!
"Eine aktuelle Fiktion im Zusammenspiel mit realem BDSM
An einem regnerischen Wintertag des letzten Jahres erreichte ich leicht verspätet ein Duisburger Programmkino. Dort hatte sich bereits eine Gruppe alter Freunde von mir gemeinsam
mit neuen Teilnehmern des lokalen SMJG-Stammtisches eingefunden. Recht spontan hatte ich die Einladung zu diesem Kinonachmittag angenommen, an dem sich Stammtischteilnehmer zum Anschauen des aktuellen Films von Regiealtmeister Roman Polanski verabredet hatten. Dieser inszenierte – offenkundig für ein liberales Bildungsbürgerpublikum – die klassische Novelle „Venus im Pelz“ des österreichischen Schriftstellers Leopold Ritter von Sacher-Masoch aus dem Jahre 1870.
Der erste Masochist
Vom Nachnamen des Autors eben dieser Novelle wurde bekanntlich der Begriff Masochismus abgeleitet. Dies geschah noch zu Sacher-Masochs Lebzeiten und ausdrücklich entgegen seinem Wunsch – er wollte nämlich keinesfalls der Namensgeber für diese Spielart menschlicher Sexualität sein. Der deutsche Psychiater und Rechtsmediziner Dr. Richard von Krafft-Ebing hatte offenbar „Venus im Pelz“ gelesen und darin die Schilderungen einiger seiner Patienten über ihre sexuellen Phantasien und Erlebnissen wiedererkannt. Diese deutlichen Parallelen zwischen den realen Berichten und Sacher-Masochs Novelle brachten Krafft-Ebing dazu, den Begriff „Masochismus“ 1886 entgegen aller Proteste in seinem Überraschungsbestseller „Psychopathia Sexualis“ einzuführen und über die vielen Folgeauflagen des Buches beizubehalten.
Die Novelle erzählt die Geschichte des masochistischen, jungen Mannes Severin, der sich in die attraktive, junge Witwe Wanda verliebt. Sie erinnert ihn an die künstlerische Darstellung der Venus, welche seine sexuellen Phantasien seit frühester Jugend prägt. Ebenso wie die Venus seiner Träume hüllt sich Wanda gerne in Pelzmäntel. Als Severin ihr einen Heiratsantrag macht, fordert sie eine einjährige Probezeit von ihm. Während dieser Zeit herrscht zwischen den beiden eine Extremform dessen, was wir heutzutage eine TPE-Beziehung nennen – also eine Beziehungsform, in der der submissive Part alle Entscheidungsmacht über sich und seinem Leben dem dominanten Part überlässt (mehr zu dieser Beziehungsform in der Psychokiste, Schlagzeilen 126–128).
Severin wird von Wanda zu ihrem Sklaven in jeder Hinsicht gemacht, den sie fortan Gregor nennt. Sie quält und erniedrigt Severin alias Gregor psychisch und körperlich, was für diesen die Erfüllung seiner tiefsten sexuellen Phantasien ist. Dazwischen verhält sie sich immer wieder fürsorglich und liebevoll ihm gegenüber. Die Dynamik zwischen den beiden wird immer extremer. Schließlich gestattet Wanda ihrem sadistischen Geliebten, Severin auszupeitschen, während sie lachend zusieht. Hiermit überschreitet sie das, was wir heutzutage ein „Hard Limit“ nennen. Dies ist eine persönliche Grenze, deren Überschreitung den submissiven Part einer BDSM-Session in einen äußerst unangenehmen Gefühlszustand bis hin zu einem „Absturz“ katapultiert.
In der Novelle wird Severins Vertrauen zu Wanda und seine Hingabe ihr gegenüber durch diese Grenzüberschreitung zerstört. Nach diesem Erlebnis verlässt er sie, kehrt auf das Gut seines Vaters zurück und dominiert dort fortan Frauen. Er hält eine gleichberechtigte Partnerschaft innerhalb der damals herrschenden, gesellschaftlichen Strukturen für unmöglich und will seinerseits nicht mehr auf der Seite des „versklavten“ stehen.
Handelt diese Novelle aus dem neunzehnten Jahrhundert nun eher von BDSM-Sexualität oder doch eigentlich vom alten Kampf der Geschlechter? Roman Polanski scheint sich für die Antwort: „Von beidem gleichermaßen“ entschieden zu haben.
Eine feministische Domina
In seinem Kinofilm verarbeitet Polanski genau genommen nicht direkt Sacher-Masochs klassische Novelle, sondern deren moderne Theaterinszenierung von David Ives. Ebenso wie in dieser Theaterinszenierung spielt sich die Handlung des ganzen Film innerhalb eines Pariser Theaters ab. Der arrogante, gestresste, leicht cholerische Theaterregisseur Thomas – gespielt vom Polanski bewusst beängstigend ähnlich sehendem Mathieu Amalric – ist gerade im Begriff, das Theater frustriert zu verlassen. Einen Tag lang hatte er sich Schauspielerinnen beim Vorsprechen für die Rolle der Wanda angeschaut und ist zutiefst enttäuscht über das Ergebnis.
Da taucht viel zu spät, laut, hektisch und chaotisch eine Schauspielerin auf, der sowohl Thomas als auch der Zuschauer nicht zutrauen möchte, eine ernste und anspruchsvolle Rolle auch nur annähernd gut darstellen zu können. Auch diese Besetzung ist sehr bewusst gewählt, da Polanski seine Ehefrau, die französische Schauspielerin Emmanuelle Seigner, die Rolle der Wanda darstellen lässt. Die unter anderem mit einem langen, auffälligen Wollschal bekleidete Schauspielerin gibt an, sie heiße auch im echten Leben Wanda. Vom ersten Augenblick an entgleitet Thomas die Kontrolle über die Situation. Wanda überrumpelt ihn trotz seines zunächst deutlich geäußerten Desinteresses derartig dreist, dass er sie vorsprechen lässt.
Sie schockt Thomas – und den Zuschauer – mit einer deutlichen, während der Handlung fortschreitenden Verwandlung. Sie wird von einer ungebildet und leicht verwahrlost wirkenden, kleinen Schauspielerin zu einer klugen, ihr Gegenüber durchschauenden und lenkenden
Domina. Zunehmend nimmt Theaterregisseur Thomas immer mehr Regie- und sonstige Anweisungen der Schauspielerin Wanda entgegen. Ab einem gewissen Punkt ist er selbst nur noch der Schauspieler, der das Stück nach Wandas Vorstellung vorführt. Die Grenze zwischen Phantasie und Realität, zwischen Rollen und echten Persönlichkeiten, verschwimmt erst unmerklich und dann immer deutlicher.
Um dem interessierten künftigen Zuschauer nicht das Vergnügen zu schmälern nehme ich das Ende des Films an dieser Stelle nicht vorweg. Es sei nur angemerkt, dass die Stammtischteilnehmer, mit denen ich nach dem Film noch in gemütlicher Runde zusammen saß, ebenso wie ich zu dem Schluss kamen, es sei ratsam, diesen Film mehrmals zu sehen. Denn die zunehmend aufgebaute psychische und sexuelle Dynamik zwischen Thomas und Wanda nimmt so viele Wendungen, dass der Zuschauer am Ende ähnlich überrascht und verwirrt dasteht wie Thomas. Es bleiben deutlich mehr Fragen als Antworten, was offenbar genauso beabsichtigt ist.
Männer, Frauen, Machtgefälle
Immer wieder wird auch in Dialogen des Films die Frage nach Macht und Unterwerfung zwischen Männern und Frauen thematisiert. So wird zunehmend klar, dass Thomas zwar in seinem Berufsleben ein dominant wirkender Mann ist, sich in der Beziehung zu seiner Verlobten – die während der Handlung mehrmals mit ihm telefoniert – jedoch eher von dieser lenken und unter Druck setzen lässt. Noch wesentlich deutlicher fällt er gegenüber Wanda in das psychologische Gegenteil seiner beruflichen Führungsposition. Dies erscheint ein wenig wie das auch in der Mainstream-Gesellschaft verbreitete Klischee vom erfolgreichen, selbstbewussten Manager, der in seiner Freizeit Ausgleich bei einer Domina sucht. Da ich in meinem Bekanntenkreis auch professionelle Dominas habe weiß ich, dass diese Vorstellung zumindest teilweise der Wirklichkeit entspricht.
Mitgliedern der BDSM-Szene ist im Gegensatz zu vielen Vanillas klar, dass eine devote und / oder masochistische sexuelle Neigung in keinem Zusammenhang zur sonstigen Persönlichkeit stehen muss. So gibt es viele männliche und weibliche Subs, die im beruflichen und sonstigen „wirklichen“ Leben keineswegs unsicher oder unterwürfig auftreten. Die naheliegende Vermutung, dass die sexuelle Sub-Rolle für einige Menschen ein Ausgleich gegenüber der Verantwortung und Dominanz ist, die sie in ihrem sonstigen Leben an den Tag legen, scheint für einige Subs zuzutreffen. Dabei ist es im Einzelfall völlig egal, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt.
Dennoch ist die unterschiedliche Wirkung der Geschlechterverteilung eines BDSM-Pärchens auf die Mainstream-Gesellschaft weiterhin relativ groß. Die dominante Wanda tritt in „Venus im Pelz“ immer wieder explizit als Verfechterin feministischer Ideen auf, die sie fast symbolisch am „typischen Mann“ Thomas auszulassen scheint. Ein BDSM-Film, der in diesem Sinne wahrscheinlich selbst der Mutter aller deutschen Feministinnen – Alice Schwarzer – gefallen würde.
Völlig anders sähe es aus, wenn Polanskis „Venus im Pelz“ in genau entgegengesetzter Geschlechterkonstellation inszeniert hätte. Dann würde dieselbe Handlung vermutlich einen Entrüstungssturm von feministischer Seite auslösen, da eine moderne, selbstbewusste Theaterregisseurin von einem männlichen Darsteller erniedrigt und aus ihrer Rolle der modernen Frau verdrängt werden würde. Ein nicht uninteressantes Gedankenexperiment zur Wirkung des Inhalts, da es zeigt, wie unterschiedlich dieselbe Geschichte je nach Geschlechter-
konstellation auf zumindest einige Zuschauer wirken könnte.
Innerhalb der BDSM-Szene geht glücklicherweise in aller Regel niemand bei weiblichen Subs davon aus, dass sie eigentlich gegen ihren Willen geknechtete, unselbstständige, tatsächlich erniedrigte Frauen sind. Dies widerspräche insgesamt dem Selbstbild und der Erfahrung der BDSM-Szene. Umgekehrt sieht jedoch auch niemand innerhalb der Szene eine dominante Frau, die mit männlichen Subs spielt, als Kämpferin für eine feministische Weltordnung an. Vielleicht gerade weil es in der BDSM-Szene sowohl dominante als auch submissive Männer und Frauen gibt, scheinen altmodische Geschlechterrollenbilder – außer im klar spielerischen Kontext – darin kaum eine Rolle zu spielen.
Meiner Erfahrung nach herrscht innerhalb der Szene ein selbstverständlicheres Gefühl für die tiefergehende Gleichberechtigung der Geschlechter als noch in vielen Teilen der Mainstream-Gesellschaft. Ein weiterer Grund hierfür mag auch sein, dass innerhalb der BDSM-Szene das Wissen um die klaren Unterschiede zwischen „Spiel-Ebene“ und „Alltags-Ebene“ stark ausgeprägt ist – eine Wahrnehmungsdimension, welche in der „Vanilla-Welt“ kaum bekannt ist. Hieraus folgt die bereits genannte Erfahrung, dass die unterschiedlichsten Ebenen von Dominanz und Unterwerfung im BDSM-Kontext nichts mit „echter“ Auf- oder Abwertung der Beteiligten zu tun haben (sollten). Auf der Ebene des Mensch-Seins sind Männer, Frauen, Switcher, Subs und Doms innerhalb der BDSM- Szene gleichberechtigt und erhalten menschlich denselben Respekt vom Gegenüber. Hier hat der Mikrokosmos des BDSM dem Makrokosmos der westlichen Industriegesellschaften erfreulicherweise schon einiges voraus.
Lydia Benecke"
Und hier gibt es noch eine Rezension!
Nach einem langen Tag voller enttäuschender Castings ist der Pariser Theaterregisseur Thomas (Mathieu Amalric) kurz davor, alles hinzuwerfen. Keine der Schauspielerinnen, die sich bei ihm vorstellen, entspricht seinen Erwartungen.
Dann taucht Vanda (Emmanuelle Seigner) auf. Vanda scheint all das zu verkörpern, was Thomas zutiefst verabscheut: Sie ist grob, naiv, einfältig und würde vor nichts zurückschrecken, um die Rolle zu bekommen. Doch während des Vorsprechens entwickelt sich zwischen den Beiden ein Spiel, das Vanda von einer ganz anderen Seite zeigt.
Kino der Spitzenklasse!
"Eine aktuelle Fiktion im Zusammenspiel mit realem BDSM
An einem regnerischen Wintertag des letzten Jahres erreichte ich leicht verspätet ein Duisburger Programmkino. Dort hatte sich bereits eine Gruppe alter Freunde von mir gemeinsam
mit neuen Teilnehmern des lokalen SMJG-Stammtisches eingefunden. Recht spontan hatte ich die Einladung zu diesem Kinonachmittag angenommen, an dem sich Stammtischteilnehmer zum Anschauen des aktuellen Films von Regiealtmeister Roman Polanski verabredet hatten. Dieser inszenierte – offenkundig für ein liberales Bildungsbürgerpublikum – die klassische Novelle „Venus im Pelz“ des österreichischen Schriftstellers Leopold Ritter von Sacher-Masoch aus dem Jahre 1870.
Der erste Masochist
Vom Nachnamen des Autors eben dieser Novelle wurde bekanntlich der Begriff Masochismus abgeleitet. Dies geschah noch zu Sacher-Masochs Lebzeiten und ausdrücklich entgegen seinem Wunsch – er wollte nämlich keinesfalls der Namensgeber für diese Spielart menschlicher Sexualität sein. Der deutsche Psychiater und Rechtsmediziner Dr. Richard von Krafft-Ebing hatte offenbar „Venus im Pelz“ gelesen und darin die Schilderungen einiger seiner Patienten über ihre sexuellen Phantasien und Erlebnissen wiedererkannt. Diese deutlichen Parallelen zwischen den realen Berichten und Sacher-Masochs Novelle brachten Krafft-Ebing dazu, den Begriff „Masochismus“ 1886 entgegen aller Proteste in seinem Überraschungsbestseller „Psychopathia Sexualis“ einzuführen und über die vielen Folgeauflagen des Buches beizubehalten.
Die Novelle erzählt die Geschichte des masochistischen, jungen Mannes Severin, der sich in die attraktive, junge Witwe Wanda verliebt. Sie erinnert ihn an die künstlerische Darstellung der Venus, welche seine sexuellen Phantasien seit frühester Jugend prägt. Ebenso wie die Venus seiner Träume hüllt sich Wanda gerne in Pelzmäntel. Als Severin ihr einen Heiratsantrag macht, fordert sie eine einjährige Probezeit von ihm. Während dieser Zeit herrscht zwischen den beiden eine Extremform dessen, was wir heutzutage eine TPE-Beziehung nennen – also eine Beziehungsform, in der der submissive Part alle Entscheidungsmacht über sich und seinem Leben dem dominanten Part überlässt (mehr zu dieser Beziehungsform in der Psychokiste, Schlagzeilen 126–128).
Severin wird von Wanda zu ihrem Sklaven in jeder Hinsicht gemacht, den sie fortan Gregor nennt. Sie quält und erniedrigt Severin alias Gregor psychisch und körperlich, was für diesen die Erfüllung seiner tiefsten sexuellen Phantasien ist. Dazwischen verhält sie sich immer wieder fürsorglich und liebevoll ihm gegenüber. Die Dynamik zwischen den beiden wird immer extremer. Schließlich gestattet Wanda ihrem sadistischen Geliebten, Severin auszupeitschen, während sie lachend zusieht. Hiermit überschreitet sie das, was wir heutzutage ein „Hard Limit“ nennen. Dies ist eine persönliche Grenze, deren Überschreitung den submissiven Part einer BDSM-Session in einen äußerst unangenehmen Gefühlszustand bis hin zu einem „Absturz“ katapultiert.
In der Novelle wird Severins Vertrauen zu Wanda und seine Hingabe ihr gegenüber durch diese Grenzüberschreitung zerstört. Nach diesem Erlebnis verlässt er sie, kehrt auf das Gut seines Vaters zurück und dominiert dort fortan Frauen. Er hält eine gleichberechtigte Partnerschaft innerhalb der damals herrschenden, gesellschaftlichen Strukturen für unmöglich und will seinerseits nicht mehr auf der Seite des „versklavten“ stehen.
Handelt diese Novelle aus dem neunzehnten Jahrhundert nun eher von BDSM-Sexualität oder doch eigentlich vom alten Kampf der Geschlechter? Roman Polanski scheint sich für die Antwort: „Von beidem gleichermaßen“ entschieden zu haben.
Eine feministische Domina
In seinem Kinofilm verarbeitet Polanski genau genommen nicht direkt Sacher-Masochs klassische Novelle, sondern deren moderne Theaterinszenierung von David Ives. Ebenso wie in dieser Theaterinszenierung spielt sich die Handlung des ganzen Film innerhalb eines Pariser Theaters ab. Der arrogante, gestresste, leicht cholerische Theaterregisseur Thomas – gespielt vom Polanski bewusst beängstigend ähnlich sehendem Mathieu Amalric – ist gerade im Begriff, das Theater frustriert zu verlassen. Einen Tag lang hatte er sich Schauspielerinnen beim Vorsprechen für die Rolle der Wanda angeschaut und ist zutiefst enttäuscht über das Ergebnis.
Da taucht viel zu spät, laut, hektisch und chaotisch eine Schauspielerin auf, der sowohl Thomas als auch der Zuschauer nicht zutrauen möchte, eine ernste und anspruchsvolle Rolle auch nur annähernd gut darstellen zu können. Auch diese Besetzung ist sehr bewusst gewählt, da Polanski seine Ehefrau, die französische Schauspielerin Emmanuelle Seigner, die Rolle der Wanda darstellen lässt. Die unter anderem mit einem langen, auffälligen Wollschal bekleidete Schauspielerin gibt an, sie heiße auch im echten Leben Wanda. Vom ersten Augenblick an entgleitet Thomas die Kontrolle über die Situation. Wanda überrumpelt ihn trotz seines zunächst deutlich geäußerten Desinteresses derartig dreist, dass er sie vorsprechen lässt.
Sie schockt Thomas – und den Zuschauer – mit einer deutlichen, während der Handlung fortschreitenden Verwandlung. Sie wird von einer ungebildet und leicht verwahrlost wirkenden, kleinen Schauspielerin zu einer klugen, ihr Gegenüber durchschauenden und lenkenden
Domina. Zunehmend nimmt Theaterregisseur Thomas immer mehr Regie- und sonstige Anweisungen der Schauspielerin Wanda entgegen. Ab einem gewissen Punkt ist er selbst nur noch der Schauspieler, der das Stück nach Wandas Vorstellung vorführt. Die Grenze zwischen Phantasie und Realität, zwischen Rollen und echten Persönlichkeiten, verschwimmt erst unmerklich und dann immer deutlicher.
Um dem interessierten künftigen Zuschauer nicht das Vergnügen zu schmälern nehme ich das Ende des Films an dieser Stelle nicht vorweg. Es sei nur angemerkt, dass die Stammtischteilnehmer, mit denen ich nach dem Film noch in gemütlicher Runde zusammen saß, ebenso wie ich zu dem Schluss kamen, es sei ratsam, diesen Film mehrmals zu sehen. Denn die zunehmend aufgebaute psychische und sexuelle Dynamik zwischen Thomas und Wanda nimmt so viele Wendungen, dass der Zuschauer am Ende ähnlich überrascht und verwirrt dasteht wie Thomas. Es bleiben deutlich mehr Fragen als Antworten, was offenbar genauso beabsichtigt ist.
Männer, Frauen, Machtgefälle
Immer wieder wird auch in Dialogen des Films die Frage nach Macht und Unterwerfung zwischen Männern und Frauen thematisiert. So wird zunehmend klar, dass Thomas zwar in seinem Berufsleben ein dominant wirkender Mann ist, sich in der Beziehung zu seiner Verlobten – die während der Handlung mehrmals mit ihm telefoniert – jedoch eher von dieser lenken und unter Druck setzen lässt. Noch wesentlich deutlicher fällt er gegenüber Wanda in das psychologische Gegenteil seiner beruflichen Führungsposition. Dies erscheint ein wenig wie das auch in der Mainstream-Gesellschaft verbreitete Klischee vom erfolgreichen, selbstbewussten Manager, der in seiner Freizeit Ausgleich bei einer Domina sucht. Da ich in meinem Bekanntenkreis auch professionelle Dominas habe weiß ich, dass diese Vorstellung zumindest teilweise der Wirklichkeit entspricht.
Mitgliedern der BDSM-Szene ist im Gegensatz zu vielen Vanillas klar, dass eine devote und / oder masochistische sexuelle Neigung in keinem Zusammenhang zur sonstigen Persönlichkeit stehen muss. So gibt es viele männliche und weibliche Subs, die im beruflichen und sonstigen „wirklichen“ Leben keineswegs unsicher oder unterwürfig auftreten. Die naheliegende Vermutung, dass die sexuelle Sub-Rolle für einige Menschen ein Ausgleich gegenüber der Verantwortung und Dominanz ist, die sie in ihrem sonstigen Leben an den Tag legen, scheint für einige Subs zuzutreffen. Dabei ist es im Einzelfall völlig egal, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt.
Dennoch ist die unterschiedliche Wirkung der Geschlechterverteilung eines BDSM-Pärchens auf die Mainstream-Gesellschaft weiterhin relativ groß. Die dominante Wanda tritt in „Venus im Pelz“ immer wieder explizit als Verfechterin feministischer Ideen auf, die sie fast symbolisch am „typischen Mann“ Thomas auszulassen scheint. Ein BDSM-Film, der in diesem Sinne wahrscheinlich selbst der Mutter aller deutschen Feministinnen – Alice Schwarzer – gefallen würde.
Völlig anders sähe es aus, wenn Polanskis „Venus im Pelz“ in genau entgegengesetzter Geschlechterkonstellation inszeniert hätte. Dann würde dieselbe Handlung vermutlich einen Entrüstungssturm von feministischer Seite auslösen, da eine moderne, selbstbewusste Theaterregisseurin von einem männlichen Darsteller erniedrigt und aus ihrer Rolle der modernen Frau verdrängt werden würde. Ein nicht uninteressantes Gedankenexperiment zur Wirkung des Inhalts, da es zeigt, wie unterschiedlich dieselbe Geschichte je nach Geschlechter-
konstellation auf zumindest einige Zuschauer wirken könnte.
Innerhalb der BDSM-Szene geht glücklicherweise in aller Regel niemand bei weiblichen Subs davon aus, dass sie eigentlich gegen ihren Willen geknechtete, unselbstständige, tatsächlich erniedrigte Frauen sind. Dies widerspräche insgesamt dem Selbstbild und der Erfahrung der BDSM-Szene. Umgekehrt sieht jedoch auch niemand innerhalb der Szene eine dominante Frau, die mit männlichen Subs spielt, als Kämpferin für eine feministische Weltordnung an. Vielleicht gerade weil es in der BDSM-Szene sowohl dominante als auch submissive Männer und Frauen gibt, scheinen altmodische Geschlechterrollenbilder – außer im klar spielerischen Kontext – darin kaum eine Rolle zu spielen.
Meiner Erfahrung nach herrscht innerhalb der Szene ein selbstverständlicheres Gefühl für die tiefergehende Gleichberechtigung der Geschlechter als noch in vielen Teilen der Mainstream-Gesellschaft. Ein weiterer Grund hierfür mag auch sein, dass innerhalb der BDSM-Szene das Wissen um die klaren Unterschiede zwischen „Spiel-Ebene“ und „Alltags-Ebene“ stark ausgeprägt ist – eine Wahrnehmungsdimension, welche in der „Vanilla-Welt“ kaum bekannt ist. Hieraus folgt die bereits genannte Erfahrung, dass die unterschiedlichsten Ebenen von Dominanz und Unterwerfung im BDSM-Kontext nichts mit „echter“ Auf- oder Abwertung der Beteiligten zu tun haben (sollten). Auf der Ebene des Mensch-Seins sind Männer, Frauen, Switcher, Subs und Doms innerhalb der BDSM- Szene gleichberechtigt und erhalten menschlich denselben Respekt vom Gegenüber. Hier hat der Mikrokosmos des BDSM dem Makrokosmos der westlichen Industriegesellschaften erfreulicherweise schon einiges voraus.
Lydia Benecke"
Und hier gibt es noch eine Rezension!